Giro del Lago Atitlan
- Thomas Hopfgartner
- 8. Juli 2021
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 14. Juli 2021
'I give you all of me, and You give me all of you!', dröhnt aus der Lautsprecherbox des Cafes in Santiago in dem ich sitze. Weil unten im Parterre der Straßenlärm beträchtlich ist, zog ich in den ersten Stock herauf, oder wie es hier genannt wird 'secondo nivel'. Allerdings ist der allgemeine Lärm noch immer so groß, dass es nicht gemütlich ist und zum Schreiben auch zu ablenkend.
Ich habe etwa Halbzeit meines Reisetages rund um den See. Möchte weiter nach Cerro de Oro und dann noch nach San Lucas zum vielleicht letzten Boot des Tages.
Mit 'Big girls don't cry', verlasse ich die Kneipe. Musste aber doch den Chef zum Bezahlen suchen, weil die Bar verwahrlost war. Der Kellner on duty musste auf die Toilette, kam ich dann drauf, auf die 'banos', wie man das im Spanischen elegant ausdrückt. Dieses Santiago will mir einfach nicht gefallen. Trotz einer herrlichen Lage zwischen den massiven Vulkanen und einer tollen Lagunenzunge die ich heute entlangstreifte, ist mir das Zentrum viel zu quirlig. Nirgendwo findest du deine Ruhe. Durch jede enge Gasse braust fast permanent Verkehr, zu allererst die Knattertuktuks. Wenn man müde ist und keinen Platz findet für Regeneration ist das nicht angenehm.
Am Pickup hinunter nach San Lucas
Ich fragte eine beleibte Saftverkäuferin, die im Schatten hinter ihres Standls saß, wann denn der letzte Bus nach San Lucas fahren würde. Sie meinte um halb drei. Ich checkte die Zeit, es war noch davor. Da ich mich in der Straße befand wo der Bus passieren muss, war ich beruhigt und schnappte noch 'papas fritas' auf, die ersten heute die halbwegs gut und frisch aussahen im ganzen Ort.
Als ich hereinmarschierte und mit Kohldampf etwas suchte, fand ich keine die ich meinem Magen hätte zumuten wollen. Als Alternative kamen 4 warme Tortillas in meinen Mund. Die drei 'signorinas' die diese im Team zubereiteten und verkauften sprachen mich auf ein 'Soda' an. Mit einem Schlag kam ich mir wie in Afrika vor, wo das ständig passiert. Ich war heute nicht in der Laune, hatte einen straffen Travelplan und spendierte ihnen kein Soda. Ich kam nicht einmal dazu einem Kind ein Bonbon zu schenken, vor lauter Taktung in meinem Schritt.

Vor der Garage der 'Brummer'
'Ah, der Brummer kommt!' Ich gebe deutliches Handzeichen, dass ich dabei sein möchte bei der Ladung. Schwupps, schlängelte ich mich schon durch den engen Gang und platzierte mich nicht allzu weit hinten. Schieße sofort mein Chicken-Bus Innenfoto nach vorne und spähe anschließend ständig aus dem rechten Seitenfenster in Richtung Toliman und Atitlan, 2000m höher die Gipfelkrater von hier aus, massive Kolosse.
Der Bus hat Endziel Guate, die Hauptstadt, welcher Trip! Und kam wahrscheinlich am Vormittag von dort. Der Schaffner beginnt bereits mit dem Einsammeln des Transportgeldes, ich finde recht früh. Wie auch immer, ich gab ihm 5 Quetzales und meinte: 'San Lucas.' Er erwiderte: 'Ist aber 10 Q!' Dann erkundigte ich mich nach dem Preis nach Guate, er meinte 50 Q, und nach Cerro de Oro seiens 5. Ich entschloss mich nicht mehr draufzuzahlen und dort auszusteigen, was auch korrekt meiner ursprünglichen Tagesplanung entsprechen sollte.
Ich checkte auf meiner offline Handy-App wo wir uns gerade genau befanden und wo ich dann aussteigen müsse. Das gelang sogar fast punktgenau, ich wollte mich nämlich nicht auf den Schaffner verlassen, denn dem ist das egal oder recht wenn ich weiter fahre und mehr zahlen muss.

Heute sah ich massiv viel Brennholz - vieles davon auf den Rücken der Einheimischen
Der Weg ins Zentrum von Cerro de Oro von der Hauptstraße aus war toll. Vor allem ruhig, angenehme, warme Luft, super! Ich blickte immer wieder auf den Hausvulkan gute 300m höher, aber heute hat ein Abstecher hinauf definitiv keinen Platz. Die etwa 5 km durch den ganzen Ort bis wieder zur Hauptstraße legte ich strammen Fußes zurück, denn es lief mir etwas die Zeit davon zum vielleicht letzten Boot vom Nachbarort aus. Einige Pickups die bereits proppevoll waren, kamen als Taxi nicht in Frage, so kam ich an die Kreuzung und erwischte dann noch einen auf dem ich gemeinsam mit einem Einheimischen Platz fand.
Ich stand hinten auf der Stoßstange mit meinen Füßen. Auf der Ladefläche war 'Frauenquote' angesagt, aber eine natürliche. Der Transporter brachte uns alle sicher nach San Lucas, ich bezahlte 3 Q, genau was ich mir gefühlsmäßig ausgedacht hatte. Es war 4pm. Ich dachte mir, das letzte Boot sollte jetzt absolut möglich zu erreichen sein, und ging an der Kirche vorbei, abwärts hinunter zum Steg.
'Pana! Pana! Panajachel!', brüllte der Junge so oft, bis wir dann mit 6 Passagieren das letzte öffentliche Boot wurden, das von San Lucas ablegte nach Panajachel. Die flotte Fahrweise hinderte mich nicht die ins Abendsonnenlicht getauchten Vulkane und Orte zu bewundern die ich heute durchquert hatte. Zugegeben, etwas schnell. Ansonsten wäre sich dieser Giro del Lago zeitlich nicht ausgegangen.

Bootssteg in San Lucas
Nun, wie begann diese Runde aber?
Genauso mit einer Bootsfahrt, so wie sie geendet hatte. Und zwar von Pana mit Stopps über Santa Cruz, Jabalito, Tzununa, San Marcos, San Juan nach San Pedro.

Andocken in Santa Cruz
Durch San Pedro geht's hinauf, ich fragte unterwegs, wo die Busse nach Santiago stehen würden. Ich wurde nicht fündig und wusste wohl, dass das Meiste nach Santiago auf dem Seeweg absolviert wird, denn die Straße ist weit, hügelig und ihren Zustand kannte ich nicht. Bergauf ging's zu Fuß, Kehren kamen, die Aussicht wurde immer besser, aber keine Busse am Weg. Ich stoppte einen Pickup und fragte: 'Santiago?' Der Fahrer bejahte, ließ stehen in der Steigung und ich stieg hinten auf die Ladefläche. Ich konnte mich an dem Eisenaufbau gut halten. Im Laderaum waren eine Kompressorpumpe und zahlreiche Lackdosen. Wo hätte ich besser die Landschaft betrachten können als hier von der offenen Ladefläche aus?
Ich war mir nicht sicher wie vertrauenswürdig der Fahrer allgemein war, sein Fahrstil war jedoch soweit sehr in Ordnung. Dann erkannte ich von hinten, dass der Beifahrersitz auch besetzt war, wessen ich mir ursprünglich nicht sicher war. Das hieß, ich musste eh sowieso hinten Vorlieb nehmen. Immer wieder Unmengen von Brennholz, die an die Straße geschleppt wurden, um von dort abtransportiert werden zu können. Links und rechts, immer wieder richtig viele Holzarbeiter. Auch ein paar Arbeiter in den Feldern, der Mais bereits riesenhoch.
Allerdings auch immer wieder Verwaschungen an der Straße, lose Steine, festgefahrener Schlamm, von den Regenfällen der letzten Tage. Irgendwann war die tadellos asfaltierte Straße dann zu Ende, es wurde enger, ging bergab und der Untergrund wurde richtig herausfordernde Piste. Ich hatte keine Chance Fotos zu machen, musste zu fest an die Eisenstangen des Ladeflächenaufbaus packen. Entgegenkommende Vehikel zwangen zum Stehenlassen, um aneinader vorbeizukommen.
Dann war dumpfes Gehupe eines größeren Fahrzeugs zu vernehmen. Ich dachte: 'Fahren doch große Busse diese Strecke?' Unser Fahrer hielt jetzt vor einer scharfen, steilen Kurve an. Und ich war gespannt was kommt. Es war ein Laster, ein langer, beladen mit Sand. Unser Pickup setzte zurück, die Räder drehten durch, ich dachte mir: 'Ist das schon guter Allradbetrieb?' Der schwere Lastwagen konnte passieren. Er wäre wohl nicht mehr vom Fleck gekommen, hätte er stehen lassen müssen.
Die Piste war grob, steil sowieso, teils altes Pflaster, und eben die Regenfälle der Jahreszeit setzten der Straße ordentlich zu. Inzwischen konnte man den See wieder sehen, wir hatten den Vulkan San Pedro hintenrum gequert. Immer wieder Kaffee, Kaffeeplantagen en masse. Jetzt sind die Früchte alle erst grün.
Als ich auch Santiago bereits sah, dachte ich mir, jetzt würd' ich am liebsten wieder zu Fuß unterwegs sein. Ich rief zum Fahrer und bat ihn stehen zu bleiben. Gesagt, getan, ich stieg vom Ladekäfig ab und zahlte. Der Chauffeur war sehr froh, damit konnte er sich den Sprit für die Fahrt wohl leisten, womit er heute nicht gerechnet hätte.

An der Lagunenzunge bei Santiago
Vorerst waren meine Arme und Hände froh, aus den Klammergriffhaltungen befreit zu sein. Das war doch eine harte Haltepartie am Heck, die Piste verlangte alles ab. So viel Kaffee, so viel Brennholzarbeiter und so schöne Aussichten über diese versteckte Lagunenzunge machten den Weg interessant.
Allerdings hatte ich mich verschätzt in der Entfernung nach Santiago. Es wurden doch vielleicht 5-7 km die ich noch bis ins Ortszentrum zurücklegen musste. Das war der Grund weshalb ich dort mit Kohldampf etwas Warmes suchte. Der Cappuchino im Cafe war dann die ersehnte Rast nach einer sehr suchenden und gewundenen Durchstreunerei des Zentrums von Santiago de Atitlan.
Im Cafe fand ich auch oben nicht die Ruhe die ich ersehnte
- fast egal, ich musste eh bald weiter
Kommentare