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In meinem Lädchen in Jabalito

  • Autorenbild: Thomas Hopfgartner
    Thomas Hopfgartner
  • 7. Juli 2021
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 14. Juli 2021


Heute bin ich erstmals nachmittags hier in dem kleinen Geschäft, wo man auch einen Kaffee bekommt. Es sieht unscheinbar aus, aber man kann hier mehr haben als man vorerst annimmt. Ich hocke auf einer Weidenbank, so für zwei Erwachsene die sich gern haben. Unter mir ein Stoffpolster, in meinem Rücken eine Polsterwulst die ich bald gerade, bald schräg irgendwo mit meinem Buckel festhalten will, damit es irgendwie bequem ist. Heute ist das kleine, niedere Tischchen mit einem blauen Plastikkorb voll mit grünen, langen Kräutern besetzt. Ich koste, kann das Grün aber nicht benennen.


Trotzdem habe ich meine weiße Schale Milchkaffee noch mit auf das Couchtischchen abgestellt, wo normalerweise auch mein Notizbuch liegt und meine Smartphone. Bei meinem allerersten Besuch hier fiel mir auf, dass alle angebotenen Waren mit einem Preispickerl versehen sind, sehr unüblich für hiesige Verhältnisse. Als ich dann erfuhr, dass der Chef ein deutscher Expat ist, verstand ich das besser und lachte mit der Verkäuferin, seiner Angestellten.


Ich find ja gut, dass man jeden Preis gleich weiß. Andererseits tut reden auch gut, speziell wenn man eine Sprache vertiefen möchte, so wie ich Spanisch. Der kleine Laden ist links an der Seite gelegen in der schmalen Gasse hinunter zum Bootssteg von Jabalito.


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Vom Seepfad aus


Ich spazierte vorher von Santa Cruz hierher, am wunderschönen Seetrail, der wenig begangen wird und einer der schönsten am See ist. Diesen Pfad, 'sentiero', habe ich schon öfter genommen. Die Aussichten auf den See und manche würzigen Pflanzengerüche sind eindringlich.


An der Hausmauer gegenüber steht oberhalb der schwarzen Stahltür die Zahl 555 einhalb auf einer bunten Keramikfliese, als Hausnummer sozusagen. Meine Tasse Kaffee ist leer, der Teelöffel verschwindet fast ganz darin. Das Zuckerglas daneben mit beigem Feinzucker hat mir die Einheimische mit einer weißen Papierserviette zugedeckt, als Insektenschutz wohl.


Zum Kaffee esse ich meistens zwei Kokosbusserl. Die sind genauso gemacht wie die meiner Mutter. Ich liebe diese Kekse. Mein Vater tat das auch. Mit einem Mal verschwanden diese Leckerbissen auf seiner Zunge und im großen Mund, fast wie bei einem Chamäleon. Bei mir sieht das ganze Prozedere des Keksessens sehr, sehr ähnlich aus. Ich kann auch De Beukelar Prinzenrollen Kekse im Durchmesser auf meiner Zunge abstellen um sie gleichzeitig anzuwässern und anschließend zu zermalmen.

Ein Kätzchen und der Kleinbub bei einem vorherigen Besuch im Lädchen. - Ich schubbste die kleine Mietze mit meinem Fuß weg - Der Bub machte es mir darauf sofort nach, als das Jungtier sein Kekslein wollte - Ich dachte mir: 'Hey, sei ein gutes Vorbild, Kinder ahmen sofort nach, pass' besser darauf auf!'


Gerade latscht eine eine junge Frau das Gässchen herauf, ihr Baby trinkt während dieser Reise an der halbnackten, linken Brust. Die Mutter schaut zu mir herüber, während sie stillt. Wahrscheinlich kommt dieser Ausdruck daher, dass die Kinder die an der Mutterbrust Milch trinken still sind. Denn saugend trinken und gleichzeitig schreien geht sich nicht aus. Wenn man bedenkt wie lange sich diese orale Phase bei manchen Menschen hält, dann weiß man, dass im jüngsten Kleinkindalter sich Vieles markant und dauerhaft einprägt.


Die Sonne steht hoch oben, rechts von mir im Westen und Schatten fallen schräg auf den erdfarbenen, glatten Boden. Gerade kam ein Bub in den Laden und interessierte sich für Schirme, chinesischer Art, die bereits einen weiteren Transport hinter sich haben, als sie je in Menschenhand am See erleben werden. Das zeigt wohin uns die kapitalistische Marktwirtschaft geführt hat und wie kaputt unser System mittlerweile ist. Der Junge unterhielt sich im Cackchiquel Dialekt mit der Ladenangestellten.


'Galletas de coco, cada uno 2''


steht auf der transparenten Plastikbox mit den Kokosbusserln. Es 'grummelt' ein bisschen, Donnergrollen, nicht sehr beängstigend, eher gemütlich, keine Panik verbreitend. Gegenüber oberhalb der Nachbarhaustür lese ich 5 5 5. Darunter eine wunderschöne, niedere Holztür mit einem kleinen, schmiedeeisenen Gitterchen in der Mitte, wie es hier üblich ist, für das 'Türgeschäft'. Die Hausmauer ist mit einem Meeresmotiv bemalen, das Dach aus Wellblech, allerdings alles sauber geometrisch verarbeitet.

In der 'Laube' meines Lädchens in Jabalito


Ein Gringo meines Alters kam gerade um Wasser in seinen 20l Garafon laufen zu lassen. Diese Wasserstelle wird gerne besucht, die Qualität ist eine gute. Es wird bald 4 pm. Wohl doch Zeit um wieder zurück nach Santa Cruz zu wandern. Ich kann natürlich auch hier in ein Boot steigen, möchte aber eigentlich noch lieber zu Fuß am Weg sein, da sieht man am meisten und nebenbei ist es auch für den Körper das Beste. Ich höre gerade meine Gastgeberin heißt Isabel. Ich muss noch zahlen.


Nachdem das passiet war, machte ich noch ein Foto von der 'Speisekarte' die vorne herausen hängt und zog los. Ich passierte den Fußballplatz, das Match der Kinderkicker war in vollem Gange. Der Schönling von Spielertrainer des Gastteams mit den viel zu professionellen, weißen Dressen, hatte inzwischen einen klatschnassen Rücken. Er wollte sich hier wohl als Favorit nicht eine Blöße geben lassen. Es geht danach treppenartig hinauf. Von dieser Passage aus gibt es einen tollen Ausblick zum hell scheinenden Kreuz hoch über Jabalito.


Später am Weg stoppte ich um einen Vogel genauer zu beobachten. Eine mir entgegenkommende Weiße auf hohen Plateausandalen, die ich völlig unpassend für den Pfad hielt, sprach mich sofort an: 'Was hast du im Auge?'. Ich antwortete: 'Was heißt noch einmal schnell 'Vogel' auf Spanisch?' Sie meinte: 'Pajaro.' Achja, genau, es fiel mir wieder ein. Sie war so verwundert darüber, dass man Natur etwas genauer betrachten kann, so entstand keine weitere Kommunikation, ich wurde ja auch in meiner Leidenschaft gestört. Ihr folgte nach einem außer Sichtweite Abstand ein Junge und ein Mann, auch weiß, ich denke es war ein kleine Familie, Hund auch dabei, nicht zu vergessen.


Bald darauf stieß ich auf dem Weg auf einen jungen Einheimischen der eine alte, dürre Grauweißhaarige führte. Sie steckte in hellen Socken und diese in dunklen Sandalen und war nicht sehr sicher in ihrer Fortbewegung, sprach Englisch mit ihrem Betreuer. Ich denke sie ist Amerikanerin die schon lange hier lebt. In den 80 iger und 90 iger Jahren kauften speziell Nordamerikaner hier Land und ließen Häuser darauf bauen. Das war noch zu Zeiten des langen, grausamen Bürgerkrieges im Land, der erst 1996 ein Ende fand und etwa 1960 begann. Furchtbar langer Kampf zwischen Regierenden und Mayastämmen.

Blick nach Santa Cruz


Am Steg in Santa Cruz nieselte es leicht, über Vulkan Toliman bereits heftiger, die Stimmungen am See sind schwer beschreibbar. Vor allem deshalb, weil der See nie gleichmäßig von Wolken, Sonne, Wind, Regen oder Donnerwetter betroffen ist. Nachmittags beginnt die Wasseroberfläche des Sees sich zu kräuseln und heftigerer Wellenschlag ist im Verlaufe wahrscheinlich. Das Boot zurück prallte einige Male dumpf am Wasser auf, der Bug so hoch in der Luft, dass man nicht darüber hinweg blicken konnte. Ich zog mir noch im Bootsrumpf meine Regenjacke über und dem Rucksack sein Kleid an.


Gleich nach dem Aussteigen musste ich bereits wieder Schutz vor Regen unter dem Wartehäuschen am Steg suchen. Mein Nachmittagsausflug endete bei einem mäßigen Milchkaffee in einer neuen Kneipe, die ich nicht mehr vorhabe wieder zu besuchen.

Schon wieder hatte ich in meinem 'Jabalito Mercado', wie der kleine Laden offiziell heißt nicht die Kakaofrüchte mitgenommen, die ich so gerne kosten würde. Also, auf einen anderen Besuch in diesem verschlafenen Dorf am See.


Vulkan San Pedro über Lago Atitlan

Das vordere Boot, 'lancha' genannt, das Hauptverkehrsmittel am See

 
 
 

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