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Pinkfarbene Pitayas im Goldort

  • Autorenbild: Thomas Hopfgartner
    Thomas Hopfgartner
  • 16. Juli 2021
  • 6 Min. Lesezeit

Nach einer Woche meines 'Giro de Lago Atitlan' bin ich wieder auf Ausflug. Tatsächlich erkältete ich mich dabei so, dass mein Körper regenerieren musste. Man weiß intuitiv allermeistens sehr genau was gut für einen ist. Dann bleibt es einem selbst überlassen auf diese innere Stimme zu hören und danach zu handeln.


Bei dieser ausgedehnten Tour von letzter Woche um fast den gesamten See, kam ich auch durch Cerro de Oro. Geologisch und topografisch ist die Gegend gekennzeichnet von einem Minivulkan der als Trabant von Vulkan Toliman direkt nördlich vor ihm steht, in völliger Nähe zum See Atitlan. Am Kleinvulkan soll es einen Fels und eine Stelle geben wo gerne Maya - Zeremonien abgehalten werden. Scheinbar soll sich dort auch eine Tür, ein Tor zur Unterwelt befinden. Also eine Art Höhle. Wie tief sie geht, weiß ich nicht.


Dieser Vulkanhügel der laut seinem Namen direkt übersetzt also 'Gold verschließt', erhebt sich gute 300 Höhenmeter über das hügelige Plateau der Gegend. Sie liegt direkt gegenüber des Sees als Blickfang von Panajachel aus.


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Reife Pitaya direkt wild gepflückt


So startete ich mit dem Boot von dort am Morgen nach San Lucas. Diese Crewmitglieder mag ich sehr, sind immer besonders freundlich, nicht aber aufdringlich, das macht Freude. Heute war die Luft etwas trüb, leichte Schleier über dem Firmament, sehr warm, föhnartig. Ich wusste ja bereits wo in San Lucas ich die passenden Pickups Richtung Westen finden würde. Einen Vorbeikommenden sprach ich an, er hatte Santiago als Ziel. Nein, dachte ich, heute möchte ich genau ins Zentrum des Goldvulkanortes. Trotzdem gingen meine Gedanken nach der Antwort neue Windungen und ich war plötzlich mit der brandneuen Idee schwanger, doch fast bis Santiago zu fahren und dann vom Westen her zum Goldort vorzustoßen. Das machte sich noch besser in meinem Kopf, als mein Ursprungsplan.


So kam's, dass ich bald darauf auf einem nächsten Toyota Pickup stand und die herrliche Reise durch die sattgrünen Fluren der abwechslungsreichen, wunderbar gedeihenden Gegend genoss. Diesmal hatte ich aber meine Mütze aufgezogen und doppelt Jacke an, ein anderes Mal wollte ich mir keine Erkältung zuziehen die mich in die Knie zwingt.


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Die Pickups haben hier in Guatemala keine Sitzbänke hinten auf der Ladefläche, so wie in Mexiko - Man steht, das find ich viel besser;-)


In der schärfsten Kurve die es auf der Route gibt stoppte ich den Kleintransporter, hüpfte

von der Ladefläche und zahlte vorne beim 'chofer'. Laut meiner Recherche musste von hier aus ein Weg hinunter zum See führen zu einem sehr kleinen Strand. Ein Arbeiter vom Pickup bestätigte mir das, meinte aber, dort ist ein 'chalet'. Also wollte das wohl heißen, es ist privat. Links und rechts von mir die faszinierenden Kaffestauden und dann kurz vor dem See zermatschte ich mit einem gedankenlosen Tritt eine Frucht, die ich bereits kannte, allerdings noch nicht lange. Meiner einer hob das Obst auf und das pinkfarbene Fruchtfleisch der Pitaya stach förmlich in meine Augen. Diese intensive Farbe kenne ich wirklich von nirgendwo her sonst in der Natur. Gut, ausgenommen Blütenfarben, zugegeben.


Sie schmeckt sehr süßlich und ist im Geschmack und der Fruchtfleischart am ehesten vergleichbar mit der Sammelfrucht einer reifen Kiwi. Ich war richtig stolz über dieses Obst gestolpert zu sein und begutachtete nun sein Habitat und wie es als Kaktee wächst.


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Alte, vertrocknete Kaffeekirschen neben frischen, grünen auf ein und derselben Staude


Etwas chaletmäßig schaute es dann tatsächlich aus und ich erkannte in der Ferne einen idyllischen Seesteg, probierte aber nicht durch die 'propiedad privada' zu queren, obwohl ich vielleicht gar nicht abgewiesen worden wäre.


Jetzt folgte ein Pfad, verwinkelt, teils steinig, verblockt, schmal, gewunden, interessante Wegführung, wieder vorbei an Kaffee, Mais, Bohnen, Nussbäumen, Avocados und alles in herrlicher Ruhe.

Solche stillen Momente in der Natur liebe ich. Ein Vogel wiederholt seinen Gesang, seinen Ruf, ansonsten nichts, außer völliger Einkalng mit unserem Mutterplanet Erde. Alles in dieser dünnen Membran zwischen Erdoberfläche und Luft in der wir allermeistens als menschliche Lebewesen atmen, dort wo es uns am besten geht.


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Als der schmale Trail endete und der Weg breiter wurde, hörte ich wieder menschliche Stimmen. Eine Alte kam mir steil herauf mit ihrer Eneklin entgegen, sie hatte eine grüne Pitaya in der Hand. Ich meinte zu ihr: 'Gut, aber die braucht noch zwei Wochen bis sie reif ist, oder?' Die lustige, originelle, indigene Frau erwiderte: 'Ja, wohl mindestens!' Ihr Gebiss war abgenutzt und lückenhaft, ihre Laune ansteckend. Kurz darauf entdeckte ich gleich links am Wegrand eine Kaktuspflanze mit Pitayafrüchten. Ich dachte mir, hier könnte die Alte ihre herhaben. Eine bereits offene pflückte ich ab und ließ sie mir richtig schmecken. Den Restsaft leckte ich mir noch von meinen klebrigen Händen und war zufriedener als zuvor.


Noch ein wenig später stand ich bei einem Bub der einen relativ neu gebauten Webstuhl bediente. Das bekannte Geräusch hatte mich dorthin gelotst. Er webte ein weiß - rotes, etwa 60cm breites Band, das endlos lang zu werden schien. Viele Kilometer Fäden würde ich beinahe sagen waren auf dem Webstuhl aufgerollt. Behände schob er die 4 Schiffchen in korrekter Reihenfolge durch die gespannten Leitfäden. Ich kommentierte: 'Toll sieht das aus, was du da machst und wie du arbeitest, das gefällt mir! Gehst du auch zur Schule?' Er antwortete: 'Gerade nicht, aber eigentlich schon.' Er sei 13 Jahre jung. Ich fragte weiter: 'Was magst du richtig gern, Fußball? Der Teenager bejahte und lächlete: 'Ja, Fußball spielen.' Ich bestärkte ihn: 'Aber, dass du hier fleißig arbeitest find' ich super, es ist wichtig.'


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Juan, 13, bei der Arbeit am recht neuen Webstuhl - super Kerl!


In diesem verschlungenen Workshop waren 8 Einheimische unterschiedlichen Alters beim Weben. In kleinen Räumen, so, dass sie mit dem Webstuhl völlig ausgefüllt waren. Alle angestellt. Ich schätze diese Handarbeit sehr, denn man bekommt ein Gefühl dafür wie viel Arbeit es ist, guten Stoff herzustellen. Mein Großonkel Simon war Weber. Er hatte eine großen Webstuhl in seiner Stube. Leider hab ich ihn nie am Werk beobachten können. Meine Mutter hat bis heute Tücher aus Leinen, also Flachs in Verwendung, den sie selbst am Elternhof angebaut haben, geerntet, verarbeitet und verwebt haben.Schlussendlich hat sie die verschiedenen Stoffe und Tücher in langatmiger, liebevoller Handarbeit bestickt. Sie sehen bis heute super aus.


Kleinkinder rund um mich herum wollten Geld von mir, vom Gringo, das erfüllte ich ihnen nicht. Ich verteilte Zuckerl, auch den zwei erwachsenen Frauen die unterdessen anbei standen. Eine von ihnen hatte ein einmonatiges Baby in ihrem Stoffwickel vor sich eingepackt. Dem Weberjungen gab ich zwei Bonbons und danach noch eine 'propina', ein Trinkgeld von 10 Quetzales. Er freute sich riesig. Die junge Mutter bestätigte mir auch, dass der Junge nicht nur jetzt, beim quasi Demonstrieren gut und fleißig arbeite, sondern überhaupt.


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Am Seeufer in Cerro de Oro


Vor der Hütte zielte ein sehr schmaler Durchgang hinunter Richtung See. Dem folgte ich und entspannte am Seeufer auf einem Felsen in herrlicher, sonniger Ruhe. Als ich meine Gedanken wieder gefasst hatte, ging ich zurück hinauf und fragte den Buben noch wie er heiße, denn das hatte ich zuerst ganz vergessen. Er antwortete: 'Juan.' Ich wünschte ihm noch einen guten Tag und suchte nun nach diesem Bananeneis mit Schokoladeüberzug, das ich bislang noch nie probiert hatte. Ein kleiner Bub hatte sechs davon in seinem Plastiksackerl, frisch erstanden. Er hätte mir auch eins verkauft, aber ich hatte nicht passend Münzen parat. 'Aber ich hab' die eh gleich da unten her', fügte der Junge hinzu.


Kurzum, ich fand auf meinem weiteren Weg weder Bananeneis noch frische Pommes, noch ein Cafe oder Minirestaurant, wo ich mich hätte stärken und setzten können. Leicht frustriert stieg ich am Sammelplatz als erster Fahrgast in meinen weinroten, alten Pickup zurück nach San Lucas. Eigentlich wollte ich ja hinauf zum Hausvulkan der das Gold verbirgt und an den Strand. Beides ging sich aber nicht mehr aus. Wir cruisten ganz entspannt durch den Ort, nur zwei Gäste an Bord. 'Will der wirklich mit nur zwei Leuten nach San Lucas?', dachte ich mir. Von der Ladefläche aus sah ich auch die heute ersten, frischen 'papas fritas' in Fett brutzeln, aber zu spät.


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Korb voller frisch geernteter Pitayas - Sie werden ziemlich teuer verkauft


Plötzlich ein Clan mit Kindern denen ich zuwinkte, auf der anderen Straßenseite. Der Fahrer wäre fast vorbeigetuckert, aber die wollten alle mit uns mit. Nach der Reihe stiegen die Kinder und erwachsenen zwei Frauen auf die Heckladefläche, sie war nun gut gefüllt. Die Kleinen versuchten fast im Wettbewerb beste Aussichtsplätze an Bord zu ergattern und freuten sich mit mir auf die Freiluft-Guteaussicht-Fahrt. Die Kleinste hatte Glitzerbänder in ihr schwarzes Haar gebunden und war bald so hoch heraufgestiegen, dass sie endlich Sicht nach vorne hatte.


Ich fragte sie nach ihrem Namen. Sie war zu schüchtern zu antworten, aber die Mama oder Tante meinte: 'Jacky!' Ich erwiderte: 'Das ist aber amerikanisch, nordamerikanisch.' Die Frau bestägtigt: 'Ja, das ist es.' Am Sammelplatz im Zielort stiegen alle von Bord, wir zahlten, wünschten uns noch einen 'Buen dia!' und verloren uns im Zentrum von San Lucas. Jeder strömte in seine Richtung.


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Cerro de Oro, Ortszentrum und Vulkan vor dem wesentlich mächtigeren San Pedro vom Boot aus


Nach Kaffee, Cola und Pommes schipperte ich zurück nach Panajachel. Welch schlechte Ernährung heute! Wenigstens eine Pitaya war dabei und eine rote Paprika voll Vitamin C. Ansonsten chaotisch. Auf Reisen muss man sehr konsequent sein, damit man sich auch gesund ernährt und genug Bewegung macht. Das gelingt nicht immer, ist aber eine obere Regel die ich einhalten will, damit's mir gut geht.


Der Weberbub Juan made my day, aber auch die zwei Pickupfahrten, die kleine Jacky oder die wunderbar reifen Pitayas. Der Kaffee nicht zu vergessen, die Sonne, die Aussicht von der Kirche des Goldortes, die Stille im Wald, die Ruhe am See und vor allem das Geschenk wieder fast völlig fit zu sein. Danke für diesen Tag! Gracias por eso dia:-)


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Pitaya und ihr Kaktuswirt





 
 
 

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