...REISEREPORTAGE... 182 Tage in Mexiko - Bis es sogar mir zu heiß wurde
- Thomas Hopfgartner
- 23. Aug. 2021
- 17 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Jan. 2022
Im November 2020 gab's für eine Winterflucht aus Europa nicht alle bisher offenstehenden Möglichkeiten. Dieses Jahr kennzeichnete sich ja durch eine sogenannte Corona-Krise aus, die einiges änderte. Eine meiner Optionen war Tanzania, eine andere Südafrika, dann Brasilien und zu guter letzt Mexiko. Von diesen vieren kannte ich das mittelamerikanische Land noch gar nicht. Das, die relative einfache Einreise als auch ein Visum für 6 Monate waren definitive Boni für genau diese Variante. So wurde es Mexiko und ich buchte einen Flug von München über Amsterdam nach Mexiko City und von dort weiter zum Endziel Cancun auf der Halbinsel Yucatan.
Ich verabschiedete mich von meinem alten Vater, nicht sicher ob ich ihn jemals wieder würde berühren können. Als ich von Osttirol aus München erreichte, stand mein Flug bereits auf der Kippe. Warum?
Ich hatte zwar den ganzen Tag Zeit für diese Anfahrt und trödelte auch fahrplangedrungen in Matrei, Kitzbühel und Wörgl, aber kurz vor München wurde der Waggon umgeleitet, nicht München- Ost steuerte die Regierungskutsche auf Gleisen an, nein, es wurde der Hauptbahnhof. Und das mit gehöriger Verspätung. Ich dachte mir beim Aussteigen, wenn ich mich jetzt nicht voll spute und Glück habe ist nix mehr mit dem rechtzeitigen Erreichen des Flughafens. Die S-Bahn dorthin rauschte gerade vor meiner Nase ab in die unterirdische Höhle, ich sah meine Chancen schwinden. Im Kopf tat sich einiges, und die Entscheidung jetzt sofort ein Taxi zu nehmen war die einzige verbleibende Chance meinen Fernflug zu erreichen, falls überhaupt noch möglich.
Durch erhöhtes, schwer bewaffnetes und vermummtes Polizeiaufgebot im Bahnhofsaußenbereich, erhaschte ich einen Mercedesschlitten mit einem afghanischen Fahrer. Ich versuchte ihm beizubringen, dass wir sehr rasch zum Flughafen kommen müssen. Gleichzeitig musste ich beachten, dass ich den Mann nicht über Gebühr stresste, Gott sei Dank war es kein cholerischer Charakter und er blieb ruhig. Wahrscheinlich hatte er das unter anderem auf der Flucht aus seinem Heimatland gelernt. Die transparente Plastikverbauung hinter den Kopfstützen konnte unsere Kommunikation nicht ganz beeinträchtigen, wir unterhielten uns gut. Mit seiner Routenwahl und Glück in keinen Stau zu geraten, stieg ich aus, zahlte viel Geld, und hoffte beim richtigen Terminal abgestiegen zu sein. Es ging sich alles gerade noch aus, ich war sooo glücklich! Das obligatorische Weißwurstpaar mit Brezen und süßem Senf konnte ich aus zwei Gründen nicht einnehmen. Zum einen hatte die Bude coronabedingt zu, zum anderen war mein Zeitfenster zu knapp. So blieb dieser lieb gewordene Brauch beim Abflug von meinem deutschen Heimatflughafen diesmal auf der Strecke.
Bild wird nachgereicht
Trödeln war angesagt am Bahnhof Kitzbühel - nach einem Achenspaziergang erfrischte mich ein Energiedrink meines Vaters - der Novembertag hatte Sonne - alles war gut
Das ist Reisen. Du planst, du bereitest vor, du überlegst, gehst viel in Gedanken durch. Irgendwann packst du, und irgendwann packt es dich, und die Tour geht los. Spätestens ab diesem Startpunkt bleibt das Ganze ein unvorhersehbares Abenteuer. Nichts muss eintreten so wie du dir das vorgestellt hast.
Die Flüge selbst verliefen dann gut, erst der letzte fand dann bei Tageslicht statt, von dem urbanen Megamoloch Mexiko City in den Osten des großen Landes, nach Cancun. Ich hatte einige Stunden Aufenthalt am Hauptstadt - Flughafen Benito Juarez, benannt nach dem kleinen Mann aus Queretaro, der als erster Präsident zum Helden der Etsados Unidos de Mexico wurde. Es war kühl, nein kalt in den Nacht- und frühen Morgenstunden in dem riesigen Funktions- Gebäude und richtig viel los für die Corona-Zeit, weit mehr als auf den europäischen Drehkreuzen. Eine Fleecedecke die sich aus dem Flieger bei mir versteckte half mir gut über die Runden. Dann also endlich der ersehnte Tagesflug, ich will ja was sehen wenn ich reise, nicht in Dauerdunkelheit um die Welt jetten. Und ich durfte den Popocatepetl bewundern, Hausberg im Süden der Metropole um nicht zu sagen Hausgeist, denn wenn er gar zu aktiv ist werden Flüge vorübergehend eingestellt. Später kam auch noch der Gigant Pico de Orizaba ins Bild, der einzige schneebedeckte Berg, Vulkan Mexikos mit über 5600m Höhe, ein Koloss, fast wie der Kilimanjaro in Tanzania.
Flugbilder
Popocatepetl links und Iztaccihuatl rechts, beide direkt vor den Toren Mexiko Citys - im Land 'Ciudad de Mexico' oder einfach CDMX genannt
Der Boss von Mexiko, Pico de Orizaba, 5636m über dem Meer
Im Dreamliner 787 von Boing und Aeromexio über dem Golf von Mexiko nach Yucatan,
es wolkt sich ein
Ganz anders dann der Golf von Mexiko und die Halbinsel Yucatan. Diese voll von Bäumen, ein richtiger Dschungelwald überzieht die flachen Karstfelsen des Landes mit ihren unterirdischen Höhlen. Ein angenehmer touch down der Maschine von Aeromexico, dem Staatscarrier und draußen ein Sog warmer Luft, ich denke bei dieser Brise bin ich richtig.
An den Flughäfen, man kennt's, unzählige Männer irgendeines Gewerbes buhlen um die ankommenden Gringos, die ihrerseits wie in ein weit offenes Messer der Einheimischen strömen und sich in dem Netz aus Werbung und Service verfangen.
Da ich ein Mietauto für 10 Tage vorab gebucht hatte, will ich es natürlich gleich in Empfang nehmen, nur in dem Fall brauchte ich noch einen Shuttle dafür, denn das Verleihbüro war außerhalb des Flughafengeländes. Ein Mann der Mietwagenfirma fuhr mich mit einem Kleinbus dorthin.
(Mai 2021)
6 Monate später genau hier am Flughafen in Cancun suche ich das Immigrationsbüro und werde in Richtung einer Imbissstube geleitet. (Gibt's dort jetzt die Münchner Weißwurst mit Brezen und Senf?;-)
Auch Toiletten befinden sichin unmittelbarer Nähe. Ich denke:
'Hier kann das Ganze nicht sei. Diese Regierungsstabsstelle, unmöglich!' Sie war dann doch genau dort, ziemlich gut hineinversteckt, ich hatte mich gettäuscht. Die diensthabende Offfizierin unbeeindruckt von meinem Erscheinen, frage ich nach dem Gruß: 'Ich hätte gerne einen Ausreisestempel, bitte.' Sie antwortet: 'Wohin geht's denn? 'Nach Guatemala', erwidere ich. Sie blättert durch die Seiten meines weinroten, europäischen Reisepasses und findet irgendwann den mexikanischen Einreisestempel vom 19.11. 2020. Sie rechnet und meint dann aufblickend: '182 Tage im Land, das ist zu lang!' Ich entgegne: 'Ja, aber doch nur 2 Tage.' Sie: 'Das ist zu lang.' Ich merke schon, das geht hier heute nicht kulant ab, die will mehr von mir als ein verlegenes Eingeständnis. Ich: 'Buen, was machen wir?' Sie überlegt kurz und sagt: 'Das kostet 960 MXN oder 45 USD!'
Ich denke mir, mit der kann ich hier schwer einen anderen für mich günstigeren Handel machen. Viel zwar was ich Strafe zahle, aber in dem Fall nützt wohl nichts. In diesen Büros kommst du dir nämlich meistens vor wie in der Vorstube zum Staatsgefängnis in den Außenbezirken der Stadt. Und die hat niemand vor freiwillig von innen genauer kennenzulernen. Innerlich widerwillig zahle ich die Strafe, die genau das kostet was eine Neueinreiserlaubnis ausmacht. Als ich wieder weg bin von diesem Büro mit dem neuen Papier, ärgert es mich noch eine kurze Weile, bis ich mich damit abfand und innerlich beruhigte.
Zurück beim Fluglinienveranstalter klappte dann das Einchecken mit diesem neuen Papier, vorher war es unmöglich gewesen. Zu dem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass ich vor einem wunderbaren, kommenden Flug von Cancun nach Guatemala City stand.
wieder zurück inden November 2020:
Nachdem ich in diesem Leihautocontainerbüro angekommen war, nahm ich ein Mietauto entgegen von dem ich nicht nur auf den ersten Blick enttäuscht war. (Später sollte sich herausstellen, dass ich mit Glück dieses Vehikel überleben durfte.) Ich reklamierte einiges an dem grauen Klein- Chevy der ordentliche Gebrauchsspuren aufwies und gerade noch notdürftigst durchgeputzt worden war. Ich dachte mir: 'Bin ich hier wirklich in einer Mietautoverleihfirma die sich international vermarkten darf?' Andererseits konnte man vielleicht Mexiko, für mich ein neues Land, nicht mit Teneriffa, Südafrika oder Dubai vergleichen wo ich in den letzten Jahren sehr viele Fahrzeuge geliehen hatte, meist in Topzustand, meistens fast brandneu. Was mich beim Fahren selbst am meisten störte war die Lenkung, die einen richtigen Schlag hatte, oder waren es die Radlager?
Meiner Erstbegutachtung zur Folge hatte dieses kleine gebrauchte Automobil mindestens einen gescheiten Unfall hinter sich, bei dem die gesamte linke Seite in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ich war also mit etwas mulmigem Gefühl in dieser Karre nun auf dem Weg in mein vorgebuchtes Quartier. Das hatte ich nicht allzu weit weg vom Flughafen geordert und nicht in der stressigen Innenstadt. Um es kurz zu machen, es war zwar nur eine gute Viertelstunde dorthin, aber das vorgebuchte Zimmer konnte ich nicht beziehen. Alle Parkwächter rund um die vermeintliche Unterkunft verweigerten mir den Zutritt.
Man kann sich vorstellen, dass ich nicht so schnell aufgab, denn immerhin hatte ich diese Nacht bereits bezahlt. Trotzdem, es blieb mir nichts übrig als diese wirkliche, oder vielleicht sogar nur Schein-Unterkunft aufzugeben. Gott sei Dank war es noch später Nachmittag und gut Zeit eine Alternative zu suchen. Ein Freund eines der vielen mexikanischen Wächter in diesem Wohngebiet verwies mich auf eine Amerikanerin die er kenne, die ich fragen könne.
Bei Sue im Haus in Cancun - mein letztes gutes heimisches Mutter- Brot für Monate;-()
Ich kam wirklich mit ihr in Kontakt, sie hieß Susan, oder Sue wie sie genannt werden wollte. Ich erzählte ihr meine Ankunftsgeschichte mit der Unterkunft, worauf sie meinte, zur Not könne ich heute auch bei ihr übernachten, sie hätte Platz. Ich war sehr froh über dieses Angebot, immerhin ersparte es mir doch jetzt nervige Suche nach einem Quartier in den Außenbezirken oder dem Stadtzentrum von Cancun. Was ich noch nicht ahnte, ihre drei großen Hunde waren zumindestens vorerst richtige Bestien. Sie hüpften mich an wie einen Zirkusdompteur, allerdings einen der sie nicht im Griff hatte, dem sie nicht folgten, der nicht die richtigen Befehle zu erteilen in der Lage war, auf die sie hörten. Latente Angst vor Hunden und ihrem scharfen Gebiss gepaart mit einem Widerwillen ständig beschnuppert und abgeleckt zu werden, kehren meine Hundeliebe oft eher ins Gegenteil.
Das Bellen, das Herumtollen und Dazwischenspringen dieser drei Hauswölfe machten eine 'normale' Kommunikation mit meiner Neogastgeberin fast unmöglich. Wenigstens hatte sie die Köter halbwegs im Griff, musste aber ständig teils lautstark betonen und beteuern, dass sie der wirkliche Boss im Haus ist.
Die kränklich agierende Leitwölfin des Habitas versicherte mir noch, dass sie das Gastzimmer aber erst flott machen müsse. Ich erwiderte, kein Problem, ich bin einstweilen draußen. Jetzt hatte ich ja keinen Grund mehr zur Eile, diese Nacht war soweit klar und somit gerettet. Ich dachte mir nur: 'Die Gastgeberin mit ihrer gebrochenen Stimme und ihrer niederen Bewegungselastizität, schafft sie das überhaupt ein Zimmer auf Vordermann zu bringen?' Noch mehr dachte ich mir allerdings, wie schön, dass es immer wieder Menschen gibt, die einen aus der Patsche reißen, wenn es mal wieder darauf ankommt.
Später dann im Gästezimmer staunte ich nicht schlecht, dass Sue doch in der Lage ist einen Raum gemütlich zu machen, trotz ihrer Krankheit. Das einzige was mich störte war, dass das Fenster nicht aufging, weil es von außen zugeschraubt war. Und, ich konnte mein Handy nicht laden, weil ich keinen Adapter für dieses mir neue Stromnetz hatte. Zwei läppische Schlitzchen an der Steckdose waren das nur, hier sollte scheinbar alles mit 110 Volt klappen, wofür die Europäer das Doppelte von 220 brauchen und dicke Stecker? Dementsprechend minimalistisch die Dosen und die Stecker hier. Ich klagte Sue mein Problem und kurzentschlossen organisierte sie ihre beste Freundin Laura die sehr bald später im Haus stand mit einem Worldtraveller Adapter den sie erst neu erstanden hatte, und für eine geplante Türkeireise nutzen wollte.
Etwas klobig das Ding, aber es erfüllte genau den Zweck und ich bedankte mich artig für das wichtige missing link. Bis heute verwende ich dieses Teil hier in Mittelamerika, schon 8 Monate lang, wie praktisch. Laura selbst ist ihre Reisefreude mit dem Corona- Wahnsinnn vergangen. Eine Türkeireise erscheint vorerst nur in ihrer Fantasie.
Ich verbrachte zwei Nächte bei Sue, um gleich anschließend in den Dschungel von Yucatan aufzubrechen. Die emmigrierte US-Amerikanerin aus Iowa hatte immer viel zu unserem gemeinsamen Morgenkaffee zu erzählen, das Problem blieben einzig und allein die wilden Hausbestien, die ständig von ihr gezähmt oder in den Garten oder auf ihr Wolfszimmergehege gesperrt werden mussten. Sue bereitete immer einen schmackhaften Kaffee. Wenn ich etwa von meinem Zimmer ins Bad musste hatte ich garantiert einen Kampf mit einem der Hauswölfe vor mir, nach dem Duschen zurück leckte mich der nächste dann ab, obwohl ich glaubte, dass ich bereits sauber war. Oh, mein Gott war ich froh, wenn ich wieder im abgesperrten Zimmer Schutz und Intimssphäre fand. So freundlich Sue auch war und so interessant diese zwei Tage, länger konnte ich hier nicht verweilen.
Playas arenas blancas en Cancun - Mein erster Karibik- Besuch inklusive weißer Sandstrände- hier in Cancun
Das war ja aber auch nicht meine Mission, nachdem ich die eindrucksvollen Strandboulevardmeilen Cancuns inspiziert hatte und noch die Schäden des letzten Hurricanes offensichtlich waren, startete ich ins Landesinnere, vorbei an Playa del Carmen und Tulum, den Touristenhochburgen an der mexikanischen Karibikseite. Der weiße Sand und das warme Klima erinnerten mich stark an den Indischen Ozean der ostafrikanischen Küste. Ich steuerte also nun mein Leihautolein vom Meer aus in Richtung Valladolid ins Land hinein. Ich passierte die Autobahnmautstelle 'caseta' genannt und fragte dort noch schnell, wann denn die nächste Tankstelle komme. Die Antwort die ich bekam klang unglaubwürdig: 'In etwa 70 km.' 'Was?, in 70 Kilometern?' Und am Vormittag war ich vielleicht insgesamt an 20 Tankstellen vorebigefahren und jetzt soll dann die nächste erst Dutzende Kilometer später kommen? Der Geldeintreiber versicherte mir: 'Ja, es ist so. Tur mir leid. Aber bei der nächsten'caseta' könnte es vielleicht Benzin im Kanister zu kaufen geben. Die kommt früher als eine Tankstelle. Wenn du jetzt nämlich nach Tulum zurückfährst musst du hier bei uns gegenüberliegend wieder Maut zahlen, wenn du erneut passierst.' Gut, dachte ich mir, dann will ich doch weiterfahren und auf Benzin hoffen, bevor mein Auto mit leerem Tank stoppt.

Hier Playa del Carmen - wo ich mir nur kurz die Brise der Karibik um meinen Körper wehen ließ
Die Straße war schnurgerade, leicht berauf, leicht bergab, links und rechts von der Bahn Dschungel mit nicht allzuhohen Bäumen die dicht verzahnt ineinander ein Geflecht bildeten das mitunter undurchdringbar schien. Ganz wenig los auf der Piste, so ähnlich wie im hohen Norden Skandinaviens, Kanadas, der Panamericana in Peru oder Patagoniens im äußersten Süden der Amerikas. Die Tanknadel bestätigte, dass der Motor Benzin schluckt und mein Gefühl wurde nicht besser als das Tankstellenhinweisschild die 70 km des Mautners schriftlich bestätigte.
Ich fuhr immer mehr wie ein rohe Eiertransporter, ohne Radioablenkung, absolut ökonomisch, teilweise ausgekuppelt sofern ein Gefälle das zuließ, mein Eigenkörpergewicht versuchend vorübergehend durch Brust heraus und Pobacken hoch zu verringern. Ich schätzte so komm ich allerhöchstens noch 15 km, dann ist Feierabend mit dem fossilen Treibstoff hinten drin. Plötzlich ein lauter Krach, eher links und Fetzen flogen von meinem Karren. Völlig erschrocken versuchte ich die Kiste nach rechts zu lenken, das gelang noch, und stellte sie ab. Ich dachte: 'Das ist ein fetter Reifenplatzer, wie man manchmal bei LKW's sieht wenn es einen Reifen einfach wuchtig raushaut. Etwas benommen erkannte ich sofort, mein Fahrer Außenspiegel ist zerborsten und das linke Vorderrad ist völlig zerfetzt. Es sah jetzt so aus wie ein Notfallrad eines Sparsets eines modernen Autos, nur, dass auch Manteldrähte noch nach außen standen wie Haare unter elekrtischer Spannung, in alle Richtungen.
Einige Teile des Reifenmantels lagen hinten mitten auf der Fahrbahn, ich rannte los, hob sie auf und schmiss sie auf die Seite, damit nicht der Nächste reinkracht. Weitere Fetzen des Gummidrahtgemischs warf ich genauso aus der Bahn, kehrte zurück zu meinm Leihcrashauto und analysierte den Schaden.
Der Reifen war nicht geplatzt, es war halt nur mehr das Herz desselben übrig, allerdings noch mit Luft gefüllt. Der Blechschaden, oder heute muss man eher von Plastikschaden bei den modernen Autos reden, auf der Seite, war vorerst nicht fahrhinderlich. Gut, dachte ich mir, dann montier ich den Reservereifen. Bei der Autoübernahme hat ich ihn kurz hinten optisch von obengesehen, jetzt löste ich ihn von der Verschraubung und legte ihn mir mit Schraubenschlüssel und Wagenheber zu meinem Reperaturplatz. Ich dachte mir, hoffentlich funktioniert das Zeug auch. Das tat es, ich konnte die Schraubmuttern mit dem Schlüssel lösen und der Wagenheber half mir den Chevy zu heben, ich war heilfroh.
Wer jemals an einer betriebenen Autobahn stand, der weiß wie ungut das Gefühl ist dort vielleicht auch noch eine Panne zu beheben bei rasendem Verkehr, nahe am Rücken. Als ich meinen Reservereifen aufsteckte bemerkte ich, der hat ein altes, einseitig abgefahrenes Profil, was aber noch schlimmer war, er war nur halbvoll mit Luft gefüllt oder anders ausgedrückt halbleer. Ich fixierte den Reifen, schraubte ihn fest an, ließ den Wagenheber wieder nieder und sah, oh Packe, das ist einfach verdammt wenig Luft da zwischen Fahrbahnbelag und Felge. Ob diese sogar den Mantel berührt konnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht genau feststellen. Falls das so ist, hat es keinen Zweck zu fahren zu probieren, ich demoliere mir in kürzester Zeit den kompletten Reifen. Dass das Mietauto keine Luftpumpe dabeihatte war selbstredend.
Ich räumte alles wieder ein, auch einen Teil des zerflederten Altreifends als Beweisstück und nahm am Fahrersitz Platz. Startete, fuhr los und sperrte meine Sinne wieder auf hellwach, um zu erkennen ob es überhaupt einen Sinn hat so zu fahren. Die Karre zog es mächtig nach links, ich ließ bald wieder stehen, checkte den Reifen, vor allem den Luftdruck und eventuelle Neuspuren im Außenmantel und stieg wieder ein. Ich hatte ja eh keine große Wahl, einfach vorsichtigst weiterfahren, sofern der wenige Reifendruck das irgendwie erlaubte. Meine Höchstgeschwindigkeit war wohl etwa bei 40km/h, meine Ausrichtung auf der Autobahn war rechts, und zwar so, dass ich den Pannenstreifen mitten unter meinem MiniChevy durchhuschen sah, denn ich hatte keine Lust für einen rasenden Nachfolger von mir fast wie ein stehendes Hindernis als Rambock zu dienen. Diese Angst im Nacken und vorne immer auf der Ausschau nach eventuell auftauchenden größeren Belagslöchern oder 'topes', diesen Rampenhügeln die jedes Gefährt herbremsen lassen war ich also wieder 'en route', zumindestens so halb, nicht wirklich mit großem Selbstvertrauen.
Ich fuhr schräg über 'topes', damit ich meinen Notreifen nicht mehr als notwendig beleidigte. Davon ab hatte ich doppelt Grund für mulmiges Gefühl: Einmal dieser müde Reifen eben, der jederzeit für eine Totalschlappe gut war. Zum anderen das Tankproblem hatte sich ja nicht gelöst, nein der Tankinhalt ging weiter gegen Null zu. Wenn man Autos nicht kennt, wie ich gerade diesen Leihwagen hier in dem ich hocke, dann weiß man überhaupt nicht wie man mit der Tankanzeige bzw. mit dem letzten Tankinhalt dran ist. Was man weiß ist, wenn man aufwärts fährt braucht man noch mehr Sprit, die letzten Lacken des Tanks kann man aber so auch mobilisieren. Das war aber nicht Thema momentan. Galub mir, es war ein dreckiges Gefühl mit dem ich höchstkonzentriert dahinfuhr. Sehnlichst hoffte ich, dass mein Ersatzreifen irgendwie durchhielt, ja ich betete dafür mehr oder weniger.
Ich hatte in meiner Jugend genügend Reifen kaputtgefahren, weil die bloße Felge sie ohne Luft dazwischen einfach demolierte, zermalmte. Allerdings handelte es sich meistens um Fahrräder oder Mopedreifen. Das System ist bei Autoreifen allerdings dasselbe. Du ruinierst dir den Mantel innerhalb weniger Vollumdrehungen. Die Tanknadel versuchte ich währenddessen innerlich ziemlich auf einen quasi Ruhepunkt zu fixieren, mehr oder weniger also zu hypnotisieren. Das mag mir vielleicht sogar gelungen sein in meiner Scheinwelt, die Realität war aber eine andere, und zwar die, dass ich jeden Moment Motorgestottere hören sollte um den Wagen rechts am Rand dann mangels weiterer Treibstoffzufuhr abstellen zu müssen. Hoffentlich wird die Stelle nicht allzu gefährlich sein, denke ich mir noch.
Andere Gedanken sind die zur Mietwagenfirma bei der Rückgabe. Die werden argumentieren, wieso haben Sie nicht umgehend angerufen? Das wäre erstens gar nicht möglich gewesen, ich verfügte über keine mexikanische Simkarte im Handy, zweitens hätte ich viel vertelefoniert und dann umsonst gewartet bis jemand von denen gekommen wäre. Wie könnte ich einer Firma noch glauben, die einen fahrlässigen Ersatzreifen im Auto versteckt und als originalen einen völlig fahrlässigen draufsteckt? Ich glaube dieser schwindeligen Firma nicht, dass diese groben Fahrlässigkeiten nur Zufälle waren. Drittens , wäre wirklich irgendjemand von denen gekommen irgendwann, wäre es bestimmt bereits dunkel und Nacht gewesen. Das wäre viel zu riskant gewesen mutterseelenalleine auf einer mexikanischen Autobahn als Gringo mit Problemen. Ein gefundenes Fressen für Gelegenheitsgangster.
All' diese Gedanken waren aber auf einen Schlag hinfällig, denn in mittlerer Sichtweite schien die nächste Mautstation ins Blickfeld zu kommen. Diese 'caseta' war doch keine verschwommene Fata Morgana, oder?
Nein, war es nicht, es war tatsächlich die Mautstation, die mein Traumziel war. Wer hatte mich bisher hierher geführt? Meine Engel, meine Ahnen, mein Gott, Buddha, ein Guru, ein Maya Gesandter, alle zusammen? Egal, ich selbst konnte es nicht gewesen sein, obwohl ich am Steuer des Chevy saß und das Automobilchen rechts vor dem Schranken der Station parkte. Ich stieg aus und interviewte sofort den diensthabenden Mautner. Er meinte, nein, sie hätten zufällig kein Notbenzin zur Stelle. Ich erzählte ihm von meinen zwei Problemen, so war ich erst einmal diese Botschaft los und geteilt. Es tat sich nichts. Bis plötzlich ein Arbeitskollege von ihm erschien mit einem großen, weißen Firmenpickup der Straßen AG, vorfuhr und meinte, er könne mich zur nächsten Tankstelle bringen. Ein leerer Kanister lag bereits auf der Ladefläche. Diese Gelegenheit nutzte ich jetzt aber auch noch dazu meinen Ersatzreifen abzumontieren, warf ihn auf die Hecklade des Kleintrucks, stieg vorne ein und wir ließen mein Leihauto rechts am Fahrbahnrand nach der Schranke dreirädrig mit erhöhter, offener Zahnlückenfront links zurück.
Das ganze Folgende wurde aber mehr als mal eben zur nächsten Tanke Sprit holen, es wurde eine Multizweck- Exkursion ins Hinterland der Maya von vielleicht eineinhalb Stunden. Wir verließen die Autobahn sofort und waren auf schlaglöchriger Piste in einer Gegend unterwegs die ich am besten mit ostafrikanischen Küstenstrichen vergelichen könnte. Die Behausungen und die Unordnung und der Müll allerorten ebenso gemeint. Ich gewöhnte mich an Stopps meines Fahrers für dies und jenes und war aber nichtenttäuscht, wir erreichtenauch irfgendwann die ferne, nächste Tankstelle. Ich ließ Benzin in den Kanister einfüllen, der Beamte tankte sein Firmenauto voll auf und ich blies meinen Ersatzreifen mit dem Kompressor ebenso voll auf. Kanister und Reifen kamen wieder auf dias Pickup-Heck und nach dem Zahlen ging die Fahrt wieder zurück. Nicht wirklich direkt. Recht bald schienen wir bei der Familie des Lenkers angekommen zu sein, einiger Proviant kam ins Auto. Bald später stieg auch ei Fahrgast zu, es stellte sich heraus, es war ein Arbeitskollege. Dann noch einige Begrüßungen hi und da um dannn doch wieder bei der Mautstelle zu landen.


Mit diesem Luftdruck musste ich zufrieden sein...
Mein dreirädriges Mietauto stand noch immer dort, so wie wir es verlassen hatten, auch schön, dachte ich! Im Team fixierten wir den Reifen, füllten Sprit nach und es schien alles für eine Weiterfahrt vorbereitet. Halt, da war noch mein Service zu bezahlen. Ich befürchtete jetzt viel Geld setzten, 'plata', wie man es auch in manchem spanischen Slang etwa in Südamerika nennt. Ich war sehr überrascht über den partnerschaftlichen Preis meines Auftrages, es schaute nach einem fairen winwin Handel aus. Immerhin hatte der Mautbeamte ja nicht seinen Privat PKW für den Dienst verwendet, sondern war sozusagen geschäftlich unterwegs, im wahrsten Sinne des Wortes. Alles gut, ich war sehr froh über diesen bestimmt nicht alltäglichen Dienst, so etwas durfte ich niemals erwarten.
Das neue Fahrgefühl in der Leihkiste war gut, ich musste nicht mehr so arg gegenlenken wie noch vorher ohne genug Luftdruck, und, meine Tanknadel bestätigte sehr bald, im Inhalt hat sich etwas zum Besseren verändert. Eigentlich war damit der Tag an und für sich gerettet- Ich musste jetzt nur noch Sofia im entlegenen Dschungel finden, denn dieses 'cita', Verabredung hatte ich im Vorfeld ausgemacht. Nun, was wollte ich hier mitten auf Yucatans Pampas überhaupt? Ich hatte vor zu arbeiten für jemanden und dagegen die Unterkunft gestellt zu bekommen. Genauso wie früher Mägde und Knechte. Gut die bekamen auch noch Essen dafür, zu Recht. Es war nicht ganz einfach dieses Dschungelcamp zu finden, doch zur späten Abenddämmerung erreichte ich tief im Wald, wohin mich längst Schotterwege geführt hatten dieses versteckte Camp und die Dame.
So unsymphatisch war die Frau gar nicht vom ersten Eindruck her, eine Mexikanerin die lange in Südamerika gelebt hatte, auch Europa kannte und sicher nicht nur einen Mann hatte, bevor sie hier ihrem Maya-Lover mitten in den Dschungel folgte, um so etwas wie ein Retreat, ein Heilzentrum zu führen mit zeremoninellen Events und mehr. Ich war müde, bekam eine Schlafstelle zugewiesen, die weit vom Haupthaus weg war, und durfte hinter Moskitonetzen als Wänden recht zeltartig im Wald in einer Hütte Vprlieb nehmen. Nach diesem Tag brauchte ich nichts als Ruhe. Ich dankte für meine Unversehrtheit und mein Glück und schlief ein. Ein schönes Erwachen startete meinen kommenden Tag, Vögelgezwitscher und Baumrascheln, sehr heimelige Outdooratmosphäre. Ich torkelte zu meinem Auto für ein Handtuch und bemerkte neben dem Tau der das Mobil mit einefeuchten Haut überzog, dass der präparierte Reifen wieder fast vollständig absank und sich von viel Luft über Nacht quasi entledigt hatte. Mit anderen Worten, das gestern war wohl nur eine Symptombehandlung gewesen, und keine tiefgreifende Analyse des Problems. Es war Sonntag. Meine Laune bezüglich des Leihmobils schlug allmählich in so etwas wie Hass um. War ich gestern noch froh darüber den Autobahnzwischenfall überlebt zu haben, wollte ich diese Karre jetzt am liebsten sofort los sein, und am besten genau hier im Urwald von Yucatan verrecken lassen.

Meine erste Cenote die ich sah - hier beim Mayacamp von Sofia und dem Albuelo
Das freundlichste Mitgleid meiner neuen Gastgeber, der Sohn von Sofia's Mann, war mir später behilflich wenigstens so viel Luft wieder hineinzupumpen, dass ich aus dem Wald wieder rauskonnte. Obwohl Feiertag war, suchte ich mit des Sohnes Hilfe eine Werkstätte da draußen zu finden die mir tiefer helfen konnte, es ließ mir keine Ruhe mit dieser unglücklichen, unverlässlichen, ja gefährlichen Karre. Ein spanischer Voluntier kam auch mit, er machte es sich hinten gemütlich wie auf einer Heimcouch auf seinr iberischen Halbinsel und legte seine Füße hoch, ich staunte über seine Ungeniertheit. Er war wohl schon so lange hier im Waldcamp, dass er keine zivilisatorischen Manieren mehr kannte. Glatt fanden wir irgendwann, natürlich nicht ganz nah, einen 'vulcanizador', der an der Straßenseite seine Bude hatte und nur noch von seinem Sohn inr seiner Hängematte geweckt werden musste, den er hatte offiiziell nicht zu, sonder offenen Service, auch heute. Der Mechaniker erkundigte sich nach meinem Anliegen und wenig später zeigte er mir mit seiner Zange, wohl den Grund des Reifenproblems. Und zwar hatte er das Ventil in der Klemme, das leck und kaputt war. Von dort entwich also die ganze Zeit Luft. Er fand ein neuse, passendes Ventil, setzte das ein, pumpte den Reifen auf, wuchtete ihn sogar noch und ich konnte ihn wieder an das Vehikel montieren. Nun hatte ich das erste Mal das Gefühl, dieser Reifen passt jetzt einigermaßen und ich kann der Kiste einigermaßen vertrauen. Absolut vertraute ich dem Fachmann, der für seine Analyse und den Behebungsservice auch noch keinen Unsinn verlangte, auch nicht heute am Sonntag.
Den Sohn des Maya ließ ich an einer Bushaltestelle aussteigen, er musste nach Cancun zurück, schade ihn hätte ich noch gerne länger im Dschungelheilcamp gesehen. Der Iberovoluntier nahm jetzt vorne Platz, brauchte noch Zigaretten und Coco Cola, glaub ich, und ich brachte ihn wieder in den Wald zurück, wo er zu Hause war und ich vielleicht die nächste Zeit sein sollte. Beim Fahren des Mini-Chevy hatte ich jetzt erstmals ein beruhigendes Gefühl, wie schön war das denn?

Endlich am wirklichen Problem dran - Sonntagsreperatur
Wie es weiterging erfährst du hier beim Download der angegebenen Datei:

Coba
Im Dschungel von Yucatan - hier bei der Maya Tempelanlage von Coba
Karibischer white sand beach bei Tulum - mit angeschwemmten Baumstamm
Fortsetzung folgt!
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